Hybrid-Formate: Analoge und digitale Bildungsräume verbinden

Mit dem Projekt „Smartphone-Entdecken“ konnten wir bereits im letzten Jahr intensive Erfahrungen in der Kombination von Online- und Offline Veranstaltungen sammeln. Hintergrund war der eigene Anspruch, für eine ältere Zielgruppe im ländlichen Raum eine möglichst barrierearme Teilhabe an Bildungsformaten anzubieten – eine Teilhabe, die über den doch eher passiven Konsum eines Livestreams hinausgeht. Eine Teilhabe mit Interaktionsmöglichkeit und einem besonderen Kommunikationserlebnis.

Aus dieser Anforderung heraus ist das Konzept der „hybriden Veranstaltung“ gewachsen, deren Ziel es ist, analoge und digitale Bildungsräume derart zu verbinden, dass eine möglichst gleichwertige Kommunikation und Interaktion zwischen den Online- und Offline Teilnehmer*innen durch den Einsatz von Videokonferenzsystemen ermöglicht wird. Ein Konzept, das ein Umdenken im Bereich der Didaktik, Mathetik, Methodik und der technischen Ausstattung erfordert.

Dieses Umdenken hat durch die Corona Krise in den letzten Monaten sehr stark an Dynamik gewonnen und auch wir im Zentrum Bildung der EKHN mussten erst einmal mit den Einschränkungen zurecht kommen, Konzepte und Ideen entwickeln sowie unterschiedliche Formate erproben.

Es war zu beobachten, dass in einer ersten Welle sehr viele Bildner*innen sich in unterschiedlichen und zahlreichen Online-Angeboten selbst qualifiziert haben, bevor es im zweiten Schritt an die Umsetzung eigener digitaler Bildungsangebote ging. Parallel zu den Lockerungen der Corona Beschränkungen gibt es nun auch wieder zahlreiche Überlegungen, wie analoge Präsenzformate umgesetzt werden können, so wie auf Twitter zu lesen ist:

Ich möchte gerne an dieser Stelle ermutigen, den Gedanken der hybriden Veranstaltung weiter zu verfolgen. Durch die Pandemie haben wir nun die Möglichkeit, den Bildungsbegriff zu überarbeiten und Angebote neu zu gestalten, sei es in der Erwachsenenbildung, in der Jugendarbeit oder im schulischen Bereich. Ich erlebe derzeit, dass viele Bildner*innen hier sehr motiviert sind und möchte gerne aus den Projekterfahrungen der letzten Jahre sowie dem Querschnitt aktueller Anfragen ein paar Aspekte aufgreifen.

Die technische Austattung

Eine Frage, die mich sehr oft erreicht ist, welche Technik erfordert wird, um hybride Formate anzubieten. Hier kommt es natürlich sehr stark auf die Raumgröße und die Anzahl der Teilnehmer*innen an, aber für eine Gruppe mit 20-30 Personen in einem Raum sind folgende Geräte empfehlenswert:


Anzumerken ist hier, dass wir die Produktnamen im Sinne des Artikel und nicht für Werbezwecken nennen.

  • ein Laptop, mit dem die Zoom Videokonferenz gehostet wurde,
  • ein USB-Mischpult (hier Yamaha AG06), das als externe Soundkarte vom Laptop erkannt wird und das die Schnittstelle der Mikrofone zum Computer darstellt,
  • Funkmikrofone (hier: the t.bone free solo Twin HT 823 Mhz), damit Moderator*in und Publikum für die Online-Teilnehmer*innen zu hören sind,
  • Eine Lautsprecherbox, damit die Online-Teilnehmer*innen vor Ort zu hören sind. Bei größeren Gruppen empfiehlt sich eine leistungsstärkere Box, um die Ansagen vor Ort für das Publikum zu verstärken,
  • Eine Kamera, damit die Teilnehmer*innen vor Ort für die Online-Teilnehmer*innen sichtbar sind. Hier empfiehlt sich eine USB-PTZ Kamera (pan, tilt and zoom), die per Fernbedienung gesteuert werden kann (hier: Logitech Rally).
  • Ein Beamer oder eine Projektions-TV, damit die Teilnehmer*innen online für die Teilnehmer*innen vor Ort sichtbar sind,
  • Eine stabile Internetverbindung mit mindesten 8-10 Mbit im Upload (am stabilsten laufen Videokonferenzen, wenn die Geräte per LAN Kabel angeschlossen sind).

Kommunikation bedeutet hören und sehen

Wenn wir in hybriden Seetings ein Kommunikationserlebnis schaffen wollen, ist es wichtig, verschiedene Grundsätze der Kommunikation zu berücksichtigen. Dazu gehören vor allem:

  • gute Audioqualität: Nichts ist auf Dauer schlimmer, als eine schlechte Audioqualität. Die Ohren schmerzen und die Aufmerksamkeitsspanne lässt nach. Daher sind für mich in jedem Setting gute Mikrofone ein absolutes Muss
  • gute Videoqualität: Das Kommunikationserlebnis ist bei einer guten Videoqualität natürlich größer. Hier lohnt es sich, auf die jeweiligen Auflösungen der einzelnen Videokonferenzanbieter zu achten und eine gute Webcam auszuwählen.
  • Arbeitsergebnisse teilen: Gibt es vor Ort eine Präsentation oder werden Inhalte auf einer Leinwand oder einem Flipchart gesammelt, ist es zwingend erforderlich, dass diese Inhalte auch den Online-Teilnehmer*innen zur Verfügung stehen. Hier empfiehlt es sich, digitale Tools einzusetzen, die wir unter anderem in unserer Mediathek vorstellen.
  • Visuelle Kommunikation: Wir kommunizieren nicht nur verbal, auch die Paralinguistik, also die nonverbale Kommunikation ist ausschlaggebend. Hierfür ist es erfoderlich, durch Veränderung des Settings die Möglichkeit zu schaffen, dass einzelne Diskutanten online wie auch offline Blickkontakt aufnehmen können. In dem Beispiel unten ist zu sehen, dass die Online-Redner*innen auf der Leinwand in einer Linie mit den Sprecher*innen vor Ort stehen und somit gemeinsam „das Podium“ für die Besucher*innen bilden. Die Sprecher*innen vor Ort haben automatisch Blickkontakt zu den Besucher*innen vor Ort, aber durch ein iPad auf einem Ständer auch zu den Online-Teilnehmer*innen. Durch eine weitere PTZ Kamera (nicht im Bild) können Beiträge der Besucher*innen visuell in den Onlineraum übertragen werden. Es gilt der einfache Grundsatz: Jede/r soll beim Reden dem Gesprächspartner*in ins Gesicht schauen können.

Interessante Beobachtung: Sobald die Besucher*innen vor Ort sich über ein Funkmikrofon mit dem Online-Referenten auf der Leinwand unterhalten haben, wurden Mimik und Gestik zur Leinwand gerichtet, auch wenn allen bewusst war, dass der Referent sie nicht durch die Leinwand, sondern durch die Kamera sieht. Menschen brauchen halt Menschen als Gegenüber, egal ob analog oder digital.

Anforderungen an die Moderation

Für die Moderator*in einer hybriden Veranstaltung bedeutet ein solch erweitertes Setting vor allem eins: Es gibt einen weiteren (Online) Raum, der moderiert werden muß. Hier empfiehlt es sich auf jeden Fall, ein oder zwei Helfer*innen mit an Bord zu haben, die sich um die Online-Teilnehmer*innen kümmern und sich um die Bildregie kümmern, d.h. steuern, wer gerade auf welcher Leinwand zu sehen ist. Auch empfiehlt es sich, dass die Online-Teilnehmer*innen die gleiche Aufmerksamkeit bekommen, wie die Besucher*innen vor Ort. Das Ziel ist es ja, einen Veranstaltungsraum digital zu erweitern, was eben auch die Aufmerksamkeit und die kommunikativen Möglichkeiten einschliesst.

Auf die Zielgruppe achten

Gerade bei Formaten, die sehr technikfokussiert sind, ist es wichtig, die eigene Zielgruppe im Auge zu behalten und flexibel auf deren Bedarfe zu reagieren. In unserem Projekt hatten wir es mit jüngeren und älteren Senioren zu tun, bei denen wir eine eigenständige Online-Teilnahme ohne Vorbereitung nicht unbedingt voraussetzen konnten. Die Online-Teilnehmer*innenzahl hat sich mit einem kleinen zweistelligen Betrag während der Veranstaltungen in Grenzen gehalten, dafür konnten wir in der Mediathek auf der Website Zugriffe im höheren dreistelligen Bereich verzeichnen.

Darüber hinaus lässt ein solches Format sehr viel Spielraum für methodische Variationen. Da wir in dem Projekt mit vielen Kooperationspartner*innen gearbeitet haben, wurde in der Webinarphase in den Projektregionen vor Ort eine gemeinsame Teilnahme im Gemeindehaus angeboten, kombiniert mit einem analogen Themengespräch, das im Anschluss der Online-Veranstaltung stattfand. Public Viewing ist eben nicht nur etwas für Weltmeisterschaften…

Technik kostet Geld

Das ist richtig, das ist auch ein wichtiges Argument. ABER … Bildung kostet immer Geld. Einerseits erlebe ich es, dass viele Einrichtungen kein Problem haben, in einem teuren Tagungsraum zusätzlich 50 EUR Miete für einen Moderationskoffer oder 30 EUR für ein W-Lan Ticket für eine Person zu bezahlen. Auch habe ich erlebt, dass für eine Veranstaltung ein Beamer mit einem Techniker für einen vierstelligen Betrag gebucht wurde. Was ich damit sagen möchte: Ich habe den Eindruck, dass wir gerne bereit sind, für analoge Szenarien Geld zu bezahlen, bei digitalen Formaten eher zögerlich sind, weil doch im tiefsten Inneren vieler Menschen die digitalen Angebote weniger Wert sind als die analogen. Ist das so? Ich denke nicht…

Auf der anderen Seite bin auch ich der Meinung, dass wir durch Digitalisierung und eigene digitale Angebote sehr viel Zeit und Geld einsparen können. Nicht selten hatte ich mehrstündige Fahrten zu einstündigen Besprechungen und ich denke, dass viele Menschen in der Coronakrise gemerkt haben, dass nicht jede Besprechung eine physische Anwesenheit erfodert.

Sharing is caring

Wie bereits geschrieben, sind wir jetzt in der glücklichen Lage, Bildung und Formate neu denken und gestalten zu dürfen. Für viele Bildner*innen sind diese digitalen Möglichkeiten und Methoden in der Tat noch Neuland, daher ist es um so wichtiger, Erfahrungen zu teilen, sich auszutauschen, sich zu vernetzen und voneinander zu lernen – unter anderem ein Grund, warum wir das Barcamp-Bildung.Digital ins Leben gerufen haben und auf Dauer etablieren wollen. Ich jedenfalls bin sehr gespannt, welche Formate nach der Corona Krise bleiben, welche neuen es gibt und worüber wir uns dann Gedanken machen dürfen…

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