Es ist nach wie vor eines der umstrittensten gesellschaftspolitischen Themen, mit dem sich die feministische Werkstatt am 25. Mai in Frankfurt auseinandersetzte: der Paragraph 218 und die Themen ungewollte Schwangerschaft und reproduktive Selbstbestimmung. Über Jahrhunderte ist der Frauenkörper unterschiedlichen Politiken und damit verbundenen Regulierungen ausgesetzt. Dabei geht es immer wieder vor allem um die Fragen des Selbstbestimmungsrechts und der moralischen Autonomie der Frau und dem Schutz des ungeborenen Lebens.
Sollte der Schwangerschaftsabbruch zukünftig außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden? Das ist eine der Fragen, für die die Bundesregierung eine 17 Mitglieder umfassende wissenschaftliche Kommission eingesetzt hat. Sie soll über die reproduktive Selbstbestimmung der Frau beraten. Verständlicherweise äußern sich die Kommissionsmitglieder bis auf weiteres nicht öffentlich zur Arbeit der Kommission, so auch das Kommissionsmitglied Daphne Hahn, Professorin für Gesundheitswissenschaften und empirische Sozialforschung an der Hochschule Fulda, die eine der Referentinnen des Werkstatttags war. Sie stellte allerdings erste Ergebnisse der sogenannten ELSA Studie vor. ELSA steht für „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“. Die erhobenen Daten sollen dazu dienen, die Versorgung bedarfsgerecht und effektiv weiterzuentwickeln. Schon erste Auswertungen zeigen, dass es ein deutliches Ost-Westgefälle in der Bereitstellung von Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch gibt. Die Situation wird sich in den kommenden Jahren mit der zunehmenden Verrentung von Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, noch verschärfen.
Das ist auch die Wahrnehmung der ProFamilia-Mitarbeiterin Kerstin Karst, die interessante Einblicke in die Beratungspraxis gewährte. Die meisten Frauen, die in die Beratung kämen, seien schon entschieden, da sich sie sich bereits viele Gedanken gemacht hätten. Zunehmend problematisch werden für aus ihrer Sicht die Protestaktionen in unmittelbarer Nähe der Beratungsstellen durch sogenannte Lebensschützerinnen, die häufig aus christlich fundamentalistischen Kreisen kommen. Sie bedrängen und belästigen sowohl die ratsuchenden Frauen als auch die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle. Durch ihr lautstarkes öffentlichkeitswirksames Auftreten gelingt es ihnen immer wieder, den Eindruck zu erwecken, dass dies die generelle christliche Haltung sei. Dass hier bislang deutliche christliche Gegenstimmen fehlen, wurde in einem Workshop, der sich speziell mit religiösen Motivationen und ethischen Fragen befasste, denn auch klar bemängelt. Für den Diskussionsstand innerhalb der Evangelischen Kirche wurde hier auf die Tagung der Akademie Loccum verwiesen: „Reproduktive Selbstbestimmung, Lebensschutz und Strafrecht. Die neue Diskussion um § 218 StGB als Herausforderung für die evangelische Kirche“ (siehe edp-Dokumentation 36/2022).
Wie wichtig es ist, sich mit den Argumentationen und Strategien derer auseinanderzusetzen, die sich ganz dezidiert gegen die sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung von Frauen aussprechen, wurde im Workshop zum Thema „Antifeminismus“ deutlich. Erstaunlich sind die historischen Kontinuitäten in der Argumentation. Wie schon 100 Jahren wird Frauen die moralische Autonomie und die Entscheidungsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper abgesprochen. Oftmals finden sich auch Verknüpfungen mit antidemokratischen, antimodernistischen, nationalistischen, rassistischen Denkmustern. Ein noch relativ neues Phänomen sind transnationale Vernetzungen. Eines von ihnen ist die sogenannte „Agenda Europe“, ein ultra-konservatives (christliches) Netzwerk, welches sich unter anderem zum Ziel gesetzt hat, Abtreibung grundsätzlich zu verbieten.
Einig waren sich die Teilnehmerinnen des Werkstatttags aus den Fachfeldern Politik, Bildung und Beratung in der Einschätzung, dass es wichtig ist, vor dem Hintergrund eines Rechtsrucks in Europa und eines zunehmenden Einflusses rechter populistischer Kräfte, derartige Aktivitäten kritisch im Blick zu behalten und transparent zu machen. Zudem war es den Teilnehmerinnen wichtig, den Fokus verstärkt auf die Forderung nach einer flächendeckenden, bedarfsorientierten medizinischen Versorgung und einer weiterhin qualitativ hochwertigen Beratung zu richten. Insbesondere wenn die Beratungspflicht zukünftig entfallen sollte, wird es wichtig sein, dass Beratung und Information und Wissensvermittlung an verschiedenen Orten angeboten werden. Hier ist auch der Bildungsbereich zukünftig noch stärker gefordert.
Bildquelle: Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung Sabrina Gröschke Flickr CC BY NC ND2.0_22.9.2019
Eine Freundin von mir wollte eine Abtreibung machen lassen. Allerdings hat sie sich von solch einer Protestaktion abhalten lassen. Daher ist es gut zu wissen, dass die Debatte in dem Bereich aktiv bleibt und sich vielleicht etwas ändert.
In manchen Ländern kann ein Schwangerschaftsabbruch strafrechtlich verfolgt werden. In Deutschland ist es nicht so. Gibt es Rechtsanwälte für Strafrecht die auf diesen Bereich spezialisiert sind?