Bildung im Zeitalter der Digitalisierung

Bildung auf vielen Wegen

Eine Frage, mit der ich in Gesprächen oftmals konfrontiert werde ist, ob sich Bildung unter der Bedingung der Digitalisierung verändern muss. Ich denke, sie muss sich doppelt verändern. Einmal kann die Form (oder Methode) verändert werden. Tobias Albers-Heinemann hat dazu bereits im ersten Blogbeitrag hingewiesen. In unserem ersten Gedankenflimmern-Talk habe ich ebenfalls ein paar Anhaltspunkte benannt. Zum anderen müssen sich Lernziele verändern. Zuerst einmal möchte ich hier im Text formale und informelle Bildung unterscheiden. Dabei orientiere ich mich an bestehnden Definitionen.

Formale Bildung in Bildungsinstitutionen, strukturiert und am Ende des Prozesses mit einem Zertifikat versehen, hat sich zwar in den letzen Jahren auf den Weg einer Veränderung begeben, steckt aber in Bezug auf die Möglichkeiten, die mit der Digitalisierung einhergehen, noch in den Kinderschuhen. Eine Tendenz ist aber sichtbar: Die Lernzielkontrolle wird ebenso wie der Lernprozess individualisierter. Aus meiner Perspektive sind die Institutionen am weitesten, die Formen des „offenen Lernens“ praktizieren. Der individualisierte Lerprozess setzt dabei an den Interessen der Schülerinnen udn Schüler an und stellt diese in dem Mittelpunkt. Damit Lernen aber nicht zufällig stattfindet, werden sinnvollerweise gemeinsame Lernziele definiert, deren Erreichung kontrolliert werden kann. Mein Sohn war von seinem dritten bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr auf der „Freien Schule Frankfurt„, die nach einem ähnlichen Prinzip individuell Lernenprozesse förderte und darauf achtete, dass der Übergang in das Regelschulsystem gelang. Im ersten Gedankenflimmern-Podcast habe ich den Begriff der Mathetik als Gegenpol zur Didaktik genannt. Hier einen kurzen verweis auf Wikipedia: „Der Begriff der Mathetik war nahezu in Vergessenheit geraten, bis Hartmut von Hentig ihn 1983 in einem Gutachten für die Freie Schule Frankfurt wieder aus der Versenkung geholt hat. „Mathetik ist eine notwendige Korrektur des gedankenlos verabsolutierten Prinzips der Didaktik: dass Lernen auf Belehrung geschähe.“ (von Hentig, 1985).“

Individuelle Lerntypen anerkennen

Diese Form der Orientierung an den Lerninteressen von Schülerinnen und Schülern kann durch digitale Technologien unterstützt werden. So können Computer Wissensstände erfassen, auswerten und den Schülerinnen und Schülern individuelle Rückmeldungen geben und ihnen Lernvorschläge machen. Wir alle kennen dieses Verfahren, wenn wir uns Wissen aneignen. Analog sind das beispielsweise die Kärtchen, die auf der Vorderseite (Herausforderung) und Rückseite (Lösung) beschrieben sind. Ein weiterer Punkt sind die Möglichkeiten, die Individualisierung von Lernprozessen zeitlich und räumlich variabel zu gestalten. Hierzu gehört beispielsweise der „Flipped Classroom“, bei dem Lehrkräfte Lernvideos erstellen, die von den Schülerinnen und Schülern zuhause bearbeitet werden, um dann in der Schule vertiefende Lernprozesse zu ermöglichen. Hier gibt es ein Beispiel.

Informelle Bildung beschreibt einen Prozess, bei dem Lernen nicht in Bildungseinrichtungen aber dennoch zielgerichtet erfolgt. Meist steht die Bewältigung des Alltags im Mittelpunkt. Da müssen sich Kenntnisse für das Ehrenamt oder die Arbeit angeeignet werden, da braucht es Fähigkeiten, um eine Wand zu verputzen, eine Seife herzustellen oder eine Homepage zu basteln. Das Ziel wird sich dabei oftmals selbst gesteckt und die für einen persönliche passende Systematik entsprechend ausgesucht. So lassen sich Sprachen mittels einer App genauso lernen, wie mit einem (Hör-) Buch oder einem Onlinekurs.

Das Internet und andere digitalisierte Angebote sind mit all ihren Möglichkeiten hier nicht mehr wegzudenken. Youtube hat sich, nicht nur bei Jugendlichen, zu einer riesigen Wissensdatenbank mit unzähligen Lernvideos entwickelt. In Form gegossene Lernangebote gibt es ebenfalls reichlich. Hier sind vor allem die Onlinekurse zu nennen, die (im Besten Fall!) strukturiert und zielgerichtet aufbereitet sind. Tobias Albers-Heinemann und ich bieten ebenfalls entsprechende Angebote an. So beginnt am 12.Mai ein 2 1/2 wöchiger Blended-Learning Kurs „Digitale Bildungstools“ mit einem Kurstag in Mainz und zwei ergänzenden Online Veranstaltungen. Im Kurs geht es um das Kennenlernen und Ausprobieren digitaler Angebote für die gemeinsame Planung, Organisation und Durchführung von Bildungsangeboten.

Digitalisierung im Bildungsbereich schreitet voran

In beiden Bildungsbereichen hat die Digitalisierung zu Veränderungen geführt. Im schulischen Kontext, dem klassischen Bereich der formalen Bildung, stehen in Deutschland noch größere Schritte ins Haus. Über den DigitalPakt Schule stellen Bund und Länder Mittel für eine bessere Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik bereit. Um digitale Technologien und Medien im Unterricht sinnvoll einsetzen zu können, benötigen Schulen allerdings ein Medienbildungskonzept. Darin sind die zentralen Ziele zu definieren, wie der pädagogische Einsatz digitaler Medien in der Schul- und Unterrichtsentwicklung erfolgen und in welchen Fächern und Jahrgangsstufen der Kompetenzaufbau bei Schülerinnen und Schülern gefördert werden soll. Durch den DigitalPakt sollen bis 2025 alle Schulen, die das für ihr Lernkonzept wollen, mit digitaler Bildungsinfrastruktur ausgestattet sein. Hier gilt es die Entwicklungen genau zu beobachten.

Im Bereich der informellen Bildung haben sich individuelle (Lern-) Strategien etabliert. Täglich gibt es neue Lernangebote, die dem individuellen Lernverhalten entgegenkommen. Auch hier gilt es die Entwicklungen im Auge zu behalten und – vor allen Dingen – eigene Erfahrungen zu machen, zu sammeln und zu reflektieren. Aus meiner Erfahrung heraus bieten sogenannte „Barcamps“ die beste Möglichkeit, dies teilstrukturiert zu tun. Barcamps zeichnen sich durch eine sehr individualisierte Lernmethode aus, da hier nicht Fachleute und Vorträge im Vordergrund stehen, sondern das eigene Interesse der Teilnehmenden. Wer einmal reinschnuppern will: Kolleginnen und Kollegen der Bildungsarbeit veranstalten ein aus Mitteln des Landes Hessen im Rahmen des Weiterbildungspaktes 2018 – 2020 gefördertes Barcamp „Bildung Digital 2020“. Nähere Informationen gibt es hier.

Dies ist ein Gastartikel vom Michael Grunewald, der zuerst unter gedankenflimmern.de erschienen ist.

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