Unser digitalisiertes Alltagsleben mit Corona im Nacken

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber bei mir hat sich das Alltagsleben deutlich gewandelt. Ich fahre nicht mehr auf die Arbeitsstelle: Mein zuhause ist zu meiner Arbeitsstelle geworden. Das ist schon ein wesentlicher Unterschied. Vereinsamung! Keine Gespräche mehr zwischen Tür und Angel, kein kurzer Gang zu meiner Kollegin zwei Büros weiter, um sie was zu fragen. Ich vermisse das! “Homeoffice” ist das Zauberwort, das nun durch die Republik geistert und sich durch unterschiedliche Erscheinungsformen zu erkennen gibt. Eine zentrale Komponente spielen dabei digitale Kommunikationslösungen, also technische Systeme. Video- oder Audiokonferenzen erobern die privaten Räume, zwingen uns an Mikrofone und Lautsprecher (auch ein Telefonhörer hat beides!).

Mit den Einzug digitaler Kommunikationstechnologien über die bereits allgemein genutzten Messengerdienste wie WhatsApp, Signal, Threema, Hangout und wie sie alle heißen hinaus erfahren wir, dass es nicht nur Technologien sind, die in unser Heim einziehen. Arbeitsweisen verändern sich, das eigene Arbeitsverhalten muss neu gestaltet werden. Die in den traditionellen Betriebsstätten eingeübten Strukturen, Arbeitsbeginn, Pausen und Arbeitsende, verlieren an Relevanz. Die Kinderbetreuung schiebt sich zwischen zwei eMails, Mittagessen kochen zwischen zwei Videokonferenzen, der Spaziergang zwischen Textbearbeitung und Telefonkonferenz. Da kommt dann auch schon mal das Kind in das Videobild gehüpft, um zu sehen, was da passiert. Oder weil es eine Frage zu den Hausaufgaben hat. Der klassische Schulunterricht findet ebenso wenig statt wie die Kinderbetreuung in den Kindertagesstätten.

Frau Prof. Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung und Employability schreibt dazu: “Dabei lässt die digitale Vernetzung neue Formen des ortsungebundenen Arbeitens zu, und für viele Menschen klingt ein fester Arbeitsplatz zu geregelten Zeiten bereits heute schon unzeitgemäß. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass technische Innovationen seit jeher mit Prozess-Innovationen begleitet werden. In diesem Zusammenhang wird jedoch häufig unterschätzt, dass technische Innovationen und Prozessinnovationen IMMER soziale Innovationen bedürfen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gehen mit dem Megatrend der digitalen Arbeitswelt unweigerlich Fragen nach deren Auswirkungen auf Unternehmenskultur, Betriebsklima, Führung, Organisation, Arbeitsabläufe, Geschäftsprozesse, Personalentwicklung, Gesundheit und Mitbestimmung einher.”

Sie erwartet, dass mobiles Arbeiten in der Zeit nach Corona, nicht wieder ungeschehen gemacht werden kann. Ich gehe davon aus, dass wir uns in wieder ruhigeren Zeiten zusammensetzen müssen, um neben allen technischen Fragen (Welche Ausstattung braucht mobiles Arbeiten? Wie gehen wir mit den Datenschutzregelungen um? Welche digitalen Werkzeuge möchten wir weiterhin wozu nutzen?) genau diese in den Blick zu nehmen: Wie organisiere ich mein Homeoffice oder das mobile Arbeiten? Wie ist das Zusammenspiel zwischen meiner physischen Präsenz am Arbeitsplatz (wenn ich noch einen habe!) und meiner virealen Präsenz. Vireal ist seit 2004 wirklich ein Wort, das für mich genau das beschreibt, was wir augenblicklich erfahren: Eine permanente Vermischung virtueller und realer Prozesse mit einer eigene Dynamik, die wir erst langsam verstehen.

In unserem Live Podcast heute morgen haben sich Tobias und ich auch darüber unterhalten. In kürze ist die Aufzeichnung auch hier zu finden.

Bleibt gesund!

Dieser Gastbeitrag ist zuerst auf gedankenflimmern.de erschienen.

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