Es ist wohl unumstritten, dass in einem analogen Kommunikationsprozess die nonverbale Kommunikation in Form von Mimik und Gestik einen wichtigen Bestandteil darstellt. Damit wir das Gesagte einschätzen und auf die Bedürfnisse der Gesprächspartner*in eingehen können, müssen wir unseren Gegenüber sehen und wahrnehmen können.
Seit nun fast zwei Jahren finden zahlreiche Kommunikationsprozesse und Bildungsangebote digital statt, und oft höre ich, dass genau diese nonverbale Kommunikation zu kurz kommt und deshalb das digitale Format zwar akzeptiert aber eher als Übergangslösung angenommen wird.
Vollkommen richtig, Mimik und Gestik sind wesentliche Bestandteile auch in digitalen Formaten, was britische Psychologen vom University College London in einer Vergleichsstudie jüngst belegt haben. Mit einer Gruppe von 120 Studierenden wurden mehrere Gesten vereinbart, die über einen längeren Seminarzeitraum verwendet wurden. Das Ergebnis zeigt, dass hier gegenüber der gestenlosen Gruppe die Videokonferenzen zufriedenstellender waren und die Lernerfolge gesteigert wurden.
Natürlich hat nicht jede Videokonferenz den vergleichbaren Rahmen einer Vergleichsstudie mit vereinbarten Gesten. Dennoch können wir in der Gestaltung unserer Angebote einiges tun, damit Mimik und Gestik der Teilnehmer*innen besser wahrgenommen wird:
Bildqualität in digitalen Formaten
Zuerst muss natürlich unterschieden werden, ob es sich bei dem Format um ein partizipatives und diskursives Angebot handelt oder um einen eher frontalen Vortrag. Mit Menschen arbeiten und diskutieren geht natürlich wesentlich besser, wenn man sie sieht, daher kann es sinnvoll sein, im Vorfeld darauf hinzuweisen, dass eine Teilnahme per Video erwünscht oder gar verpflichtend ist. In besonders sensiblen Fällen, in denen es um den Schutz der Privatsphäre der Teilnehmer*innen geht, bieten Videokonferenzsysteme unterschiedliche Funktionen wie virtuelle Hintergründe oder auch den Aufmerksamkeitsmodus bei Zoom, bei dem nur der Host / Co-Host die Teilnehmer*innen sehen kann.
Dann spielt die Gruppengröße eine entscheidende Rolle. Sehe ich alle Teilnehmer*innen auf meinem Monitor oder sind die Videoansichten zu klein oder muss ich gar zwischen unterschiedlichen Seiten „blättern“? Dann ist es sinnvoll, mit einem großen Monitor und mehr in Kleingruppen zu arbeiten, damit die Teilnehmer*innen auch Gelegenheit haben, wahrgenommen zu werden.
Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die Kameraqualität, die Position sowie die Auflösung, in der das Videokonferenztool das Video überträgt. Während wir bei Kameraqualität, Kameraposition und auch der Tonqualität von der Ausstattung der Teilnehmer*in abhängig sind, können wir bei der Wahl des Videokonferenzsystems im Vorfeld Überlegungen treffen. So gibt es zum Beispiel Tools wie Webex, die in einer Auflösung von 640x480px übertragen und Anbieter wie Zoom, die in bestimmten Tarifen 1920x1080px anbieten. Zum Vergleich: eine VHS Videokassette hat eine Auflösung von 575x314px, eine DVD 720x480px und eine BluRay 1920x1080PX. Je besser ich Personen im Vollbild sehen und erkennen kann, desto angenehmer ist die Wahrnehmung und so detaillierter die Körpersprache.
Aktiv sein und Aktivität fordern
Je aktiver und kommunikativer die Moderator*in ist, desto leichter fällt es den Teilnehmer*innen, selbst aktiv zu sein. Moderator*innen müssen sich also ihrer Rolle und ihrer Wirkung vor der Kamera bewusst sein und können mit Bewegungen und wechselnder Lautstärke die Aufmerksamkeit lenken und Teilnehmer*innen motivieren, selbst aktiv zu sein. Durch Warm-ups und Interaktionsübungen können zum Beispiel gezielt mit Gesten und Grimassen in Videokonferenzen gespielt und gearbeitet werden. So wird auf jeden Fall eine lockere und ansprechende Atmosphäre geschaffen.
Spannend wird jetzt natürlich sein, wie ihr mit diesem Thema umgeht und welche Erfahrungen ihr in den letzten Jahren gemacht habt? Was sind eure Tipps und Tricks für die bessere Wahrnehmung der Körpersprache in digitalen Formaten?