Nachdem wir im April diesen Jahres unsere ersten Erfahrungen mit einem eigenen digitalen Barcamp machen durften, stand am 29.09.2020 die Fortsetzung an. Wir haben die Kritik und die Rückmeldungen der ersten Veranstaltung aufgenommen und versucht, diese in das zweite Barcamp einfließen zu lassen.
Zentrale Website als Zugangspunkt
Ein wesentlicher Kritikpunkt war die Masse an Zugangsdaten und Links. Während wir im April noch per E-Mail alle Informationen versendet haben, gab es im September die zentrale Website barcamp-bildung.digital, über die das Anmeldeverfahren, die Vorstellung, der Zugang zur Veranstaltung, die Dokumentation und so ziemlich alles, was für das Barcamp wichtig war, kommuniziert wurde.
Während am Anfang lediglich die Basisinformationen für die Teilnahme und Anmeldung auf der Website zu finden waren, änderten sich im Laufe der Veranstaltung die Inhalte und Menüs, so dass auch der Zugangslink zu Zoom, die Dokumentation, der Sessionplan und alles andere gut zu finden war. Alle weiteren verwendeten Dienste wie Miro und Padlet wurden per iFrame in die Homepage eingebunden. Mit diesem Vorgehen wurde die Anzahl der parallel zu nutzenden Fenster auf ein Minimum reduziert.
Klarer Vorteil: Die Teilnehmer*innen brauchten nur diesen einen Link und wir als Organisator*innen konnten spontan und flexibel auf Änderungen reagieren und mussten keine Emails oder Chatnachrichten versenden.
Vorbereitung der Teilnehmer*innen
Eine weitere Rückmeldung war, dass es für einige Teilnehmer*innen zu viele neue Tools, Dienste und Methoden auf einmal waren, um sich inhaltlich auf das Barcamp einlassen zu können. Sehr nachvollziehbar, da es wirklich eine Herausforderung ist, kurz vor dem Barcamp sich mit der Methodik des Barcamps, der Funktion von Zoom, dem Einsatz von Padlet und auch den anderen Diensten vertraut zu machen.
Aus diesem Grunde haben wir auch die Website im Vorfeld genutzt, Tipps für die Teilnahme anzubieten. In kurzen Videos wurden dort die Methodik des Barcamps, der Session Planung, und der Dokumentation vorgestellt sowie hilfreiche Tipps für die Teilnahme an einem digitalen Format. Die Rückmeldungen zu diesem Angebot waren überaus positiv, konnten die Teilnehmer*innen sich zudem über eigens erstellte Testboards mit den einzelnen Diensten vertraut machen. Auf diesem Wege haben wir den Schritt der technischen und methodischen Eingewöhnung ausgelagert und die Teilnehmer*innen konnten sich in ihrem eigenen Tempo zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl damit beschäftigen.
Kennenlernen und erste Kontakte knüpfen
Wie bereits beim ersten Barcamp haben wir mit Hilfe von Padlet die Möglichkeit geboten, sich schon im Vorfeld über einen Steckbrief kennen zu lernen, beziehungsweise vorzustellen. Hierfür wurde ein Board erstellt, in dem jede/r ein Foto, den Namen und Kontaktdaten hinterlassen konnte, was später für alle Teilnehmer*innen sichtbar war. Auch hatten die Teilnehmer*innen bereits im Vorfeld die Möglichkeit, sich über Session-Ideen und Vorschläge auszutauschen. Diese Punkte finden wir sehr wichtig, da es in digitalen Formaten ja um die Schaffung von persönlichen Bindungen und sozialen Kontakten geht und das Gefühl der digitalen Anonymität genommen werden muss.
Die Raumgestaltung und Software
Wir haben für unsere Angebote sehr viele Webinar- und Videokonferenzdienste getestet und ausprobiert und uns in Punkto Performance, Zuverlässigkeit, Stabilität sowie Audio- und Videoqualität für die kirchlich-datenschutzkonforme Variante von Zoom entschieden.
Im ersten Barcamp haben wir die unterschiedlichen Sessionräume durch separate Zoom-Räume angeboten, was bedeutet, dass wir für acht Räume auch acht Computer und acht Lizenzen benötigt haben. Auch wenn der Grundgedanke intuitiv klang, hat sich herausgestellt, dass durch den ständigen Wechsel der Videokonferenzen und das jeweilige erneute Verbinden mit Webcam und Mikrofon, vereinzelt Personen verloren gingen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, die Veranstaltung in einem Zoom Raum mit Breakout Sessions zu organisieren.
Eine der wichtigsten Aspekte bei einer digitalen Veranstaltung ist die Autonomität der Teilnehmer*innen. Wie in analogen Veranstaltung auch, braucht es parallele und informelle Kommunikationsräume sowie Möglichkeiten, den jeweiligen Aufenthaltsort selbst zu bestimmen. Alles andere führt zu einer unangenehmen und fremdbestimmten Frontalsituation, die nach kurzer Zeit äußerst belastet wirkt. Sehr positiv war daher das Zoom Update auf Version 5.3, das eineinhalb Wochen vor dem Barcamp veröffentlicht wurde, mit der Neuerung, dass es nun Breakout-Räume gibt, in denen sich die Teilnehmer*innen frei bewegen können … wir berichteten. So war es uns in der Veranstaltung möglich, mehrere Session- und auch Pausenräume zu erschaffen, in denen sich die Teilnehmer*innen frei bewegen konnten.
Zu beachten bei dieser Methode ist, dass diese Funktion nur für Menschen zur Verfügung steht, die Zoom über die Software nutzen und mindesten Ver. 5.3 intalliert haben. Teilnehmer*innen mit älteren Versionen sowie Personen, die über die Android / iOS App oder über den Browser teilgenommen haben, konnten nicht von dieser Funktion profitieren und mussten immer manuell vom Host verschoben werden.
Was nehmen wir mit für die Zukunft? Der Aspekt, dass einige Personen mit einer alten Software-Version teilgenommen haben, war u.a. dem Umstand geschuldet, dass sie nicht berechtigt waren, ihre Dienst-Rechner eigenständig upzudaten. Da hier einige Verwaltungsstrukturen mit einer bestimmten Latenz arbeiten ist davon auszugehen, dass das Problem in einigen Wochen behoben sein wird. Dennoch wird es weiterhin Menschen geben, die lieber über den Browser oder über die App teilnehmen. Sofern es hier keine Änderung seitens Zoom gibt, bleibt eigentlich nur übrig, ausreichend zu informieren und den Weg anzubieten, über den Host die entsprechenden Kleingruppen zu wechseln.
Die Sessionplanung
Ein zentrales Element eines Barcamps ist die Session-Planung. In analogen Veranstaltungen stellen die Teilnehmer*innen eine Idee vor, die von den Anwesenden kurz bewertet- und dann über eine Karteikarte in einem Session-Board visualisiert wird. Nachdem alle Sessions vorgeschlagen und bewertet wurden, übernehmen die Moderatoren die Karteikarten in den Zeitplan.
In einem digitalen Format gibt es nun viele Methoden und Ideen, wir haben uns für folgendes Vorgehen entschieden: Die Teilnehmer*innen mit einem Session-Vorschlag haben sich über den Chat kurz gemeldet und wurden dann aufgerufen. Das Video der entsprechenden Personen wurde für alle Barcamp-Teilnehmer*innen vergrößert (Spotlight Video) und die Person hat ihre Idee vorgestellt. Währenddessen konnten die restlichen Teilnehmer*innen über die „ja“ / „nein“ Symbole in der Teilnehmer*innenliste ihr Votum abgeben, so dass für alle eine gewisse Tendenz der Zustimmung oder Ablehnung sichtbar wurde. Generell gilt bei einem Barcamp: Sobald sich zwei Personen finden, die sich für ein Thema interessieren, kann und soll eine Session stattfinden.
Danach ging es zur Sessionplanung in ein Miroboard, das im Vorfeld mit einer Zeitmatrix und freien Karteikarten vorbereitet wurde. Die Teilnehmer*in konnte nach der Sessionvorstellung den Titel eigenständig in eine freie Karte eintragen und diese in einen freien Slot in der Zeitmatrix verschieben.
Auf diese Weise wurde eine besondere Art der Beteiligung geschaffen und der Aufwand und die Verantwortung der Zeit-Einteilung auf die Gruppe mit übertragen, was auch eine Entlastung der Moderatoren zur Folge hatte. Auch wenn im Schnitt fast 60 Personen immer zeitgleich im Board aktiv waren, kam es zu keiner großen Katastrophe. Das Schlimmste war, dass ein paar Personen aus Versehen das Format der Tabelle verändert und diese etwas in die Länge gezogen hatten.
Nachdem alle Einträge auf Karten eingetragen waren, haben wir im Moderatorenteam den Schreibzugriff für das Miro Board aufgehoben, den Zeitplan finalisiert und ihn als Bilddatei auf die Startseite der Homepage eingestellt. Mit dieser Methode konnten wir mit fast 140 Personen die Vorstellung und Planung für insgesamt 17 Sessions in knapp 40 Minuten absolvieren und waren sogar 5 Minuten unserem Zeitplan voraus.
Wenn solche Methoden eingesetzt werden ist klar, dass mit dem Grat der Verantwortung auch das Risiko steigt, dass eine Vorlage unerwünscht verändert wird. Am sichersten im Design wäre man also, wenn man alles selber macht und die Teilnehmer*innen gar keinen Zugriff hätten. Das geht allerdings stark zu Lasten der Beteiligung und Interaktion – zwei elementarer Kernthemen in digitalen Formaten. Als Organisator*in sollte man sich dessen nicht nur bewusst sondern auch vorbereitet sein, falls irgend etwas schief geht. In diesem Fall hatten wir ein geklontes Miro-Board ohne Schreibzugriffe für die Teilnehmer*innen in Reserve, in das wir die Karteikarten einfach hätten kopieren können. Darüber hinaus spricht aber auch gar nichts dagegen, die potentiellen Risiken und die Atmosphäre eines digitalen Feldversuches klar mit den Teilnehmer*innen zu kommunizieren. Letztendlich müssen wir alle digitale Formate und Methoden in realistischen Szenarien erproben und da darf auch gerne mal etwas experimentiert werden.
Die Dokumentation
Nachdem die Sessions nun begonnen haben, wurde das Barcamp im Prinzip fast zum Selbstläufer. Im Schnitt waren es 15-20 Personen, die manuell zugeordnet werden mussten, der Rest hat sich eigenständig in den Sessionräumen und Pausenräumen aufgehalten. Für die Dokumentation wurde auf der Website ein separater Bereich eingerichtet, in dem alle Sessions mit einem Cryptpad verlinkt waren. Hierbei handelt es sich um einen kostenlosen, verschlüsselten und auf Only-Office basierenden Online-Text-Editor, ähnlich einem Etherpad. Über die Website konnten dann alle Teilnehmerinnen eigenständig das jeweilige Pad aufrufen und eigenständig dokumentieren.
Der zeitliche Ablauf
Im Gegensatz zum letzten Barcamp haben wir die Sessions wieder 45 Minuten lang stattfinden lassen und dafür mehrere längere Pausen eingefügt, der konkrete Ablauf ist hier einsehbar. Hier haben wir überwiegend positives Feedback bekommen, dass zum Einen die Länge der Sessions aber auch die Anzahl und Länge der Pausen für die Teilnehmer*innen angenehm war. Für das nächste Barcamp werden wir den Anreiz mitnehmen, optionale betreute Pausenangebote mit in die Planung mit aufzunehmen.
Die Kommunikation
Auch wenn man nicht sagen könnte, dass in einer Videokonferenz-Software die Kommunikation zu kurz kommt, stellt dieser Punkt eine besondere Herausforderung beziehungsweise eine besondere Priorität da. Zum einen brauchen die Teilnehmer*innen einen Kommunikationskanal zu den Moderator*innen oder Organisator*innen der Veranstaltung parallel zur Videokonferenz, falls es irgendwelche Probleme oder persönliche Bedarfe gibt. Für diesen Zweck haben wir wieder ein Padlet auf die Website eingebaut, in dem wie in einem Chat einfach Nachrichten geschrieben werden konnten, die für alle sichtbar sind.
Die Organisator*innen waren zudem im Laufe dieser Veranstaltung über eine geschlossene Chat-Gruppe (Matrix-Chat) miteinander vernetzt, da es einfach auch Absprachen gibt, die zu treffen sind, während man sich in unterschiedlichen digitalen Räumen aufhält oder die nicht für Augen und Ohren der Teilnehmer*innen gedacht sind.
Fazit
Eine Wahnsinnsveranstaltung! Es hat viel Spaß gemacht mit so vielen tollen Personen ein interessantes Barcamp zu erleben und parallel auch über Twitter auszutauschen. Wir haben während und nach der Veranstaltung über ein Padlet Feedback eingeholt und am Schluss bleiben ein paar offene Punkte und Fragen, die wir bis zum Frühjahrsbarcamp am 23.03.2021 für uns klären müssen. Wir haben mit knapp 120 Personen angefangen, etwa 140 von den 197 Angemeldeten waren über den Tag da und am Nachmittag verabschiedeten wir knapp 90 Personen nach fast 5,5 Stunden Barcamp.
- Anmeldeverhalten: Angemeldet waren insgesamt 197 Personen, über den Tag waren davon ca. 140 anwesend, ein kleiner Teil hat abgesagt, ein großer Teil nicht. Wir stellen uns die Frage, woran das liegt, dass Menschen sich anmelden und nicht absagen und was wir hier tun können? Haben Sie hier vielleicht eine Idee?
- Ein paar Teilnehmer*innen hatten technische Problem, das Cryptpad zu nutzen, teilweise lag es am verwendeten Internet Explorer oder an der eigenen Internetverbindung. Ist es möglich, in einem Onlineformat Alternativen für Menschen mit schlechter Internetverbindung anzubieten? Und wenn ja, welche? Was meinen Sie?
- Die Sessionplanung mit Miro lief gefühlt besser und interaktiver als mit einem Padlet beim letzten Mal. Aber auch hier gibt es zahlreiche Tools und Methoden. Womit wäre eine Sessionplanung Ihrer Meinung nach noch möglich?
Zum Anmeldeverhalten – die Erfahrung habe ich leider auch schon bei virtuellen Veranstaltungen machen müssen. Ich vermute mal, dass der „Schonraum„ Internet dazu verleitet sich einfach mal schnell anzumelden, nach dem Motto „schadet ja nichts und ich muss ja dann wenn ich keine Zeit /Lust habe, nicht mich verbindlich abmelden“. Außerdem kostet ja für TeilnehmerInnen im Internet eine Veranstaltung nichts,oder nicht viel. Würde bei einem virtuellen Barcamp der selbe Beitrag wie bei einem Präzenz-Barcamp verlangt, würde „man“ sich einen Anmeldung genau überlegen und wenn man gebucht hat, auch daran teilnehmen. Die Erfahrung habe ich von einigen Bekannten im Veranstaltungsgeschäft auch jetzt wiederholt gehört.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Giehmann
Ich finde, man sollte die Abmeldungen bei Veranstaltungen, an denen viele Personen teilnehmen werden, stark vereinfachen – ein Klick stellt eine geringere Hürde dar, als eine Mail zu schreiben.
Robby Höschele schrieb auf Facebook und ich kopier das mal hierher:
Ah, das war damit gemeint. Ich finde, solches Verhalten gibt es leider an vielen Stellen (u.a. klagen Restaurants oft über Tischreservierungen, die ohne Absage nicht in Anspruch genommen werden). Ich beobachte, dass Online-Termine leicht als „weiche“ Termine betrachtet werden. Wenn etwas anderes dazwischen kommt, dann ist so ein Termin ohne Abmeldung leicht weg/gelöscht.
Manchmal ist es auch so, dass man sich online mittlerweile oft leicht anmelden kann, aber abmelden oder stornieren erfordert oft noch eine Mail-Nachricht (und an welche Adresse muss ich diese jetzt schicken …).
Und dann sehe ich noch diesen Grund: Wenn etwas nix kostet, der TN-Betrag nicht vorher schon bezahlt wurde und/oder unklar ist, was eine kurzfristige Abmeldung an Storno-Gebühr zur Folge hat (diese einzufordern ist eben schnell ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand), dann ist die Beliebigkeits-Schwelle für gedankenlose kurzfristige Nichtteilnahme niedrig.