In diesem Jahr wäre der Philosoph Immanuel Kant 300 Jahre alt geworden – Grund genug um zu fragen, wie lebendig er heute noch in unseren Köpfen ist. Ganz einfach ist die Auseinandersetzung mit seinen Texten allerdings nicht – mitunter schwere Kost. Aber Geert Hendrich, Dozent für Philosophie, versteht es, Kants Revolution des Denkens auf anschauliche und verständliche Weise zu vermitteln. Mit ihm sprach Christiane Wessels.
Christiane Wessels (CW): Warum sollte man sich auch noch heute mit Immanuel Kant beschäftigen?
Geert Hendrich: Mal ganz abgesehen davon, dass Kant nicht nur immer noch gelesen wird und seine Wirkung auf das Denken der Neuzeit sich mit niemand anderem vergleichen lässt – wir verdanken Kant vor allem entscheidende Grundlagen unser Moderne. Denn Kant ist ein geborener Aufklärer, der den Mut hatte, sich des eigenen Verstandes zu bedienen und keine wissenschaftliche oder außerwissenschaftliche Autorität als über alle Kritik erhaben anerkennt. Ihm verdanken wir das Vorbild einer in der Autonomie des Willens gründenden universalistischen Moral, einschließlich dem Gedanken der unantastbaren Würde des Menschen und einer kompromisslosen Ablehnung von allem Kolonialismus. Und seine Aktualität liegt nicht zuletzt auch in der Erkenntnis, dass nur eine menschliche Vernunft, die kritisch gegen sich selbst ist, keine Ungeheuer gebiert.
CW: „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ ist wohl eine der zentralen Forderungen Kants an den Menschen. Was bedeutet das für uns aktuell?
Geert Hendrich: Es bedeutet, nicht Spielball der äußeren, vorgefundenen Verhältnisse sein, nicht Sklave von selbsternannten oder vorgefundenen Autoritäten, von Vorurteilen und Gewohnheiten. Und das gilt für jede Zeit und überall. Denn, wie Kant sagt: „Wer sich aber zum Wurm macht, kann nachher nicht klagen, dass er mit Füßen getreten wird“. Stattdessen soll der Mensch Gestalter sein, nicht Mitläufer sein. Er ist dann autonom, wenn er Akteur eines verantwortungsbewussten Handelns ist, dessen Maxime – das meint Kants „Kategorischer Imperativ“ – jederzeit zu einem allgemeinen Gesetz taugen könnte. Man muss nicht schon viel wissen oder gelesen haben, um neues Wissen oder Erkenntnisse überprüfen zu können. Oft reicht es, nach Gründen zu fragen – denn das ist der Unterschied zur Fremdbestimmung: ich will es nicht meinen, glauben oder hinnehmen, sondern will mit guten Gründen überzeugt werden. Hier wird auch deutlich, dass man sich des eigenen Verstandes nicht bedient, wenn wir nur im stillen Kämmerlein vor uns hin grübeln. Kant begreift den „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ diskursiv – er zeigt sich erst in der gemeinsamen Suche nach dem besten Argument, der besten Begründung für ein Wissen über unsere Welt. Und dazu gehört natürlich die Bereitschaft, zuzuhören, tolerant zu sein und andere Auffassungen anzuhören.
CW: Was erwartet die Teilnehmer*innen am philosophischen Studientag zu Kant?
Geert Hendrich: Kants Schriften sind nicht einfach zu lesen. Die Probleme, mit denen sich Kant beschäftigt, scheinen uns oft fremd, ja geradezu „an den Haaren herbeigezogen“. Er verwendet ellenlange Bandwurmsätze, die für uns heute völlig ungewohnt sind. Es ist also fast unmöglich, ohne Übung mit solchen Texten und ohne Vorwissen über philosophiegeschichtliche Zusammenhänge Kant im Selbststudium zu lesen. Deshalb möchte ich bei diesem Studientag allgemeinverständlich in das Denken Kants, in Kants Universum einführen. Dabei möchte ich auch helfen, einige der berühmtesten Zitate von Kant zu verstehen. Und schließlich wird es um die Wirkung Kants und seinen Einfluss auch auf unser Denken und um die Kritik gehen, die heute gelegentlich an Kant auftaucht.
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