Der Anblick und die Struktur unserer Städte und Dörfer haben sich seit der Nachkriegszeit sehr verändert. Die Folgen der „autofreundlichen“ Stadt, menschenfeindlicher Architektur und der Zersiedelung unserer Landschaften bekommen wir täglich zu spüren. Doch es gibt Widerstand: die Bewegung der Cittaslow-Städte. Cittaslow ist ein italienisch-englisches Kunstwort und heißt „Langsame Stadt. Es geht im Kern darum, die Organisation von Städten nicht rein funktional zu denken, sondern als Lebensraum. Menschen in die Städte zu holen und ihnen Raum zu geben, damit sie sich dort begegnen, bewegen und ihre Bedarfe decken können, kurz: ihnen Begegnungsfläche, Freiraum, Spielfläche zurückzugeben und zu sichern. „Wir geben uns nicht länger damit zufrieden, dass die als gesichtslose Ballungsgebiete gebauten Städte, sich alle ähneln und es keine Rolle mehr spielt, in welcher wir leben. Heute entdecken wir wieder die Bedeutung historischer Stadtkerne, restaurierter kulturhistorischer Orte und Gebäude, greifen wieder auf heimische Produkte zurück und lernen, unsere sozialen Beziehungen neu zu gestalten.“ So wird hat Stefano Cimmicchi, Bürgermeister der umbrischen Stadt Orvieto und einer der Mitbegründer von Cittaslow, programmatisch auf der Website der Cittaslow-Städte zitiert (https://www.cittaslow.de/geschichte.html).
Langsamkeit als zentrale Kategorie für die Transformation von Orten zu „lebenswerten Städten“ (wie sich die Cittaslow-Städte auch nennen) leuchtet aus soziologischer wie aus theologischer Perspektive unmittelbar ein. Außerdem stellt Verlangsamung eine mögliche Antwort auf die Krisen unserer Zeit dar, denn Beschleunigung trägt maßgeblich zum ständig steigenden Ressourcenverbrauch bei. Kirchen dürfen sich beim Thema Zeitpolitik ganz zuhause fühlen: Der Schutz des Sonntags hat Verfassungsrang. Darin steckt die Einsicht, dass Menschen die Rhythmisierung von Zeitläufen brauchen, dass Spiritualität und die Aufgaben der Gemeinschaft Zeit brauchen, und dass Erleben sich nur dann mit Sinn anreichern kann, wenn sich Zeitzeichnungen und Ablagerungen von Zeit in die Persönlichkeit einbilden können. Zeit braucht es auch, um das soziale Miteinander in der Stadt zu gestalten, Beziehungen zu leben und füreinander Sorgeaufgaben übernehmen zu können. Dies alles zeigt: Wenn Verlangsamung Programm wird, dann berührt das alle Lebensbereiche. Wenn Menschen sich Zeiten und Räume zurück erobern, verwandelt sich das Antlitz dieser Welt.
Wer über die Bewegung der Cittaslow-Städte näher kennenlernen möchte, kann dies in Nordhessen ganz nah und in vielfältiger Weise. In Homberg (Efze) findet das Jahrestreffen der deutschen Cittaslow-Städte statt. Begleitend richten die Erwachsenenbildungseinrichtungen der Evangelischen Kirchen in Hessen, das Forum Schwalm Eder und das Diakonische Werk gemeinsam eine Begleittagung aus. Diese findet statt am 30. Und 31.03.. Alle Interessierten sind dazu herzlich willkommen.